Berichte und Briefe von Gefangenen

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Außenansicht JVA
Außenansicht JVA

Gefangen und doch frei?!

Gedanken und Empfindungen eines Gefangenen

Gefangen im Gefängnis:

Darunter kann sich der unbescholtene Bürger, der das Wort Gefängnis nur aus Berichten von Zeitungen und Medien kennt, nur eine Minderheit von Menschen vorstellen, die eine Straftat begangen haben. Sonst wären diese ja nicht im Gefängnis. Wenn dazu noch das Wort - Stammheim - auftaucht, wird an die Zeit der siebziger Jahre gedacht und den Mythos, der seit nun beinahe 30 Jahren den Stadtteil Stuttgart-Stammheim geprägt und weit über das Schwabenland hinaus bekannt gemacht hat.

Untersuchungshaft
Es ist unumstritten, dass wir, die hier gefangen sind, in Untersuchungshaft "sitzen", entweder einer Straftat verdächtigt werden oder einer solchen schon überführt sind und nur noch auf die Gerichtsverhandlung warten oder darauf, bis die Ermittlungsbehörden die entsprechenden Beweise, für das Verfahren positiv oder, was viele hoffen, negativ, der zuständigen Staatsanwaltschaft vorlegen können.

Die Not ist groß!
Auf engem Raum sind viele Menschen aus verschiedenen Ländern, ja, aus fast allen Nationen vertreten. So wie es hier die unterschiedlichsten Kulturen gibt, so sind auch die Straftaten, welche den über 800 Mann im "Knast" vorgeworfen werden. Hinzu kommt die haftbedingte Isolation. Außer ein paar Briefe, Besuchen von Freunden, wer Glück hat von seiner Familie, gibt es keine Kontakte nach draußen. Für einen unbescholtenen Bürger ist es wohl kaum vorstellbar welche Probleme es mit sich bringt, in einer Zelle seine Zeit verbringen zu müssen, entweder mit einem oder drei weiteren Mitgefangenen oder sogar ganz alleine.

Wieder mal "da draußen" sein
Dies ist eine kleine Welt für sich, in der Abgeschiedenheit. Nur die sehnsüchtigen Blicke nach "Draußen" über die Mauer, welche das Leben des Gefangenen begrenzt, gibt vielen von uns Hoffnung, irgendwann einmal auch wieder "da draußen" sein zu können.

...ein geregelter Tagesablauf!?
Dreiundzwanzig Stunden in der Regel auf der Zelle, am Morgen, für viele zu früh, das Frühstück; Hofgang, 1 Stunde pro Tag; gegen elf Uhr das Mittagessen und um sechzehn Uhr das Abendessen; wer Glück hat kann arbeiten; ein geregelter Tagesablauf der für viele Menschen unvorstellbar ist.

Vergib uns unsere Schuld!
Und doch gibt es für uns Gefangene die an unseren Herrn Jesus Christus glauben einen entscheidenden Unterschied. Die Gefangenschaft ist nur eine Begrenzung unserer leiblichen Hülle. Innerlich dürfen wir uns über die von Gott geschenkte Freiheit freuen. Wir haben gesündigt, zum Herrn gebetet er möge uns vergeben, wie er Vergebung für alle Menschen erlangt hat durch seinen Tod - so auch für uns Sünder - die wir hier sind.

Das Buch aller Bücher
- Die Bibel - wird hier nicht nur gelesen, nein, jedes Wort, jeder Vers wird aufgesogen, Inhalte von Versen mit den eigenen Wegen, der eigenen Gefangenensituation verglichen.
Wer von uns Gefangenen mit den Worten der Bibel nicht bez. noch nicht umgehen kann hat das Glück, innerhalb dieser Mauern das Wort unseres Herrn zu erfahren, und dass auch für ihn und mit ihm gebetet wird.

Mittelpunkt der Woche
Wir Sünder sind auch hier in dieser Welt nicht vergessen. Woche um Woche können wir uns hier auf unsere, ja auf UNSERE Gruppe freuen. Jeden Freitag den der Kalender hervorbringt haben wir die Möglichkeit für zwei Stunden die Jesus-Gruppe zu besuchen, die für uns mehr als eine wichtige Zeit ist und die einen Mittelpunkt innerhalb dieser Mauern darstellt. In einer Gruppe zu singen und zu beten und das Wort unseres Herrn zu hören lässt das Gefangensein erst gar nicht aufkommen. Es ist ein Vorrecht eine Gemeinde in diesem Teil unserer Welt zu haben, die das Herz und die Seele öffnet sowie uns den Herrn in der Gruppe so nahe bringt wie wir es nie zuvor hoffen durften.

Nur raus aus der Zelle! Nur?
Es gibt aber auch Gefangene welche die Jesus-Gruppe lediglich als "Freizeit" ansehen nur um für zwei Stunden aus der Zelle zu kommen.
Nur? Nur am ersten Tag, denn jeder, wirklich jeder ist begeistert und wird, wenn es auch beim ersten Besuch der Jesus-Gruppe nur die Flucht aus der Zelle war, sich freuen, wenn es wieder Freitag ist.
Die Flucht aus der Zelle, die es beim ersten Besuch war, ist nun zum festen Bestandteil seines Aufenthaltes im Knast geworden, da die Flucht in Freude und Begeisterung für den Herrn umgeschlagen ist.
Er will diesen Tag nicht mehr missen und hofft sogar darauf, wenn er in eine andere Justizvollzugsanstalt verlegt wird, dass dort auch eine Gruppe ist, die ihm die Worte des Herrn näher bringt.

Faszination JESUS!
Die Menschen, die uns oft belächeln hätten, wenn sie dabei gewesen wären, sich bestimmt gewundert über soviel Begeisterung und Interesse die in der Gruppe in diesem Jahr am Karfreitag vorzufinden war.
Wir konnten durch den Film "Jesus" das Leben und den Leidensweg unseres Herrn Jesus Christus hier, innerhalb dieser Mauern in unserer Gruppe in Wort und Bild kennenlernen.
Anschließend haben wir dann miteinander über die Faszination dieses Filmes diskutiert und uns an Mitgefangenen gefreut, die zum ersten Mal in der Jesus-Gruppe waren, dass diese zwei Stunden ihnen innere Freiheit und Freude geschenkt haben.

Gottes Kraft schenkt Liebe!
Zu bewundern ist die Kraft, die der Herr den Leitern der Jesus-Gruppen gibt.
Denn wir Gefangenen werden von ihnen wie Gemeindemitglieder , wie die "so weit da Draußen" behandelt. Wir stehen, zusammen mit alle Mitarbeitern im Mittelpunkt unserer kleinen Gemeinde hier. Sie gibt uns das Gefühl als Mensch und Christ noch vorhanden zu sein. Das Nichtvergessensein in uns zu spüren.

Evangelisation beim Hofgang!
Welche Begeisterung löste vor ein paar Tagen einige Bibeln in englischer Sprache aus, die wir zur Weitergabe an englisch sprechende Mitgefangene bekommen haben. Während unseres täglichen, einstündigen Hofganges haben wir gesprochen, diskutiert und die Worte des Herrn gemeinsam in englisch besprochen.
Schon zwei Tage danach kam die Aufforderung, wieder im Hofgang, man möge doch den englisch sprechenden Mitgefangenen erklären, welchen Antrag sie auszufüllen hätten um Donnerstags in die "Jesus Group", die englische Jesus Gruppe, zu kommen.
Im Hofgang haben wir den Interessenten dann die Anträge ausgefüllt und danach in englisch ein Gebet gemeinsam gesprochen.

Im Herzen sind wir frei!
Wer von uns Gefangenen den Namen des Herrn Jesus Christus im Herzen trägt, ist nur Gefangener seiner leiblichen Hülle. Im Geist, im Herzen und in der Seele sind wir frei und dem Herrn nahe.
So ist es nicht das Gesetz oder die Umstände der Haft, sondern die Kraft Gottes die uns innere Freiheit gibt und uns somit in der Zeit der realen Haft mehr Chancen gibt, dem Herrn noch näher zu kommen. Dafür danken wir ihm.

Mehr Kraft durch Vergebung!
An Feiertagen wie Weihnachten Ostern oder Pfingsten, wenn wir an unsere Angehörigen "da Draußen" intensiver denken, gibt uns die Bibel mehr Kraft, mehr Energie und zeigt uns, dass wir nach der Haft, nach dem Knast, eine Zukunft vor Augen haben. Wir werden nicht mehr die Sünder sein, die wir bei Antritt der Haft waren, da durch die Kraft und Güte des Herrn, auch uns vergeben wurde. Wir sind nicht allein, nicht verlassen, nicht ohne Hoffnung, denn der Herr ist bei uns mit seiner ganzen Kraft und Güte!
Auch wollen wir hiermit allen Christen danken, die uns Gefangene nicht vergessen haben und in ihren Gebeten für uns zum Herrn sprechen, für uns das Bindeglied zu den Gemeinden "da Draußen" sind.
Lobet den Herrn, denn Er ist bei euch! Wer an ihn glaubt, wird erkennen und bewahrt werden vor dem Bösen.
Im April 1998 verfasst von einem Teilnehmer der Jesus-Gruppe in der Justizvollzugsanstalt Stuttgart-Stammheim.